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(Anm.: Dieser Text entstand vor
etlichen Jahren, spiegelt aber auch heute noch meine Einstellung und Sichtweise
wider).
In der Vergangenheit (als mein Styling deutlicher als heute in diese Richtung ging) wurde ich immer mal wieder angesprochen und gefragt, warum ich "schwarz" (also "Grufti" / "Gothic") bin; was das "Gothic-Sein" für mich bedeutet und wie ich dazu gekommen bin. Deshalb habe ich diese Seite mit meinen Gedanken hierzu erstellt. Ich kann dabei wohlgemerkt lediglich für mich selbst sprechen. "Die schwarze Szene" ist einfach viel zu facettenreich und vielschichtig, als dass man sie verallgemeinern könnte. Möglicherweise haben manche eine ganz andere Ansicht hierzu, und das ist auch OK. Wäre dem nicht so, ginge einfach das Individuum in der Masse unter - und das kann schließlich nicht unser Ziel sein.
Fotosession für Xtra-X, Mitte der 90er
Entstanden ist die Gothic-Szene ursprünglich einerseits aus der Punkbewegung, andererseits aus der New Wave-Szene in England, in der jegliche Mystik anfangs überwiegend Mode und Styling war. Mit der Zeit entwickelte sich daraus eine eigene Gruppe, in der hinter dem Aussehen mehr steckt, als auf den ersten Blick vielleicht ersichtlich ist.
Es gibt derart viele Bezeichnungen für uns (Goth / Gothic / Grufti / Gruftie / Schwarzer / Wave / Waver / Darkwave / Dark-Waver / New Romantic / Endzeit-Romantiker / Batcaver...), aber letztendlich beschreiben sie im Großen und Ganzen zumindest Ähnliches.
Ich bin selbst ein Teil dieser Szene,
betitle mich in der Regel allerdings eher selten mit "Gothic".
Wenn eine
Bezeichnung, dann vielleicht am ehesten "Schwarz mit pinken Streifen" ;-)
All
diese Zuschreibungen pressen einen Menschen für mich letztendlich zu sehr in irgendwelche
Schubladen, in die ich definitiv nicht gänzlich reinpasse und die zudem oftmals mit vielen Vorurteilen belastet sind. So genannten "Gruftis" wurden und werden
manchmal die seltsamsten Dinge unterstellt - sie seien Satanisten, Grabschänder, chronisch depressiv, hingen ständig nur
auf Friedhöfen rum, schlafen in Särgen - und was weiß ich noch alles. Doch das
stimmt einfach so nicht. Sicherlich gibt es vereinzelt auch solche, jedoch stellen
sie schließlich nicht die
Szene als Ganzes dar; wenngleich dieser (meiner Ansicht nach deutlich kleinere) Teil
für die Medien leider weitaus interessanter ist. Solche voreingenommenen Aussagen
wie eben genannt sind schlichtweg
undifferenziert und oberflächlich. Im Übrigen: ich mag die ruhige Atmosphäre von alten
Friedhöfen, auch aus fotografischer Sicht; aber deswegen habe ich dort noch
lange nicht mein Wohnzimmer aufgebaut.
"Schwarz" bin ich jetzt bereits seit
rund 35 Jahren. Ich hatte damals (Ende der 1980er) privat und emotional eine wirklich sehr schlechte Zeit, auf die
ich hier nicht näher eingehen möchte - das würde auch den Rahmen sprengen.
Jedenfalls
führte dies dazu, dass (damals) die Farbe schwarz ein Begriff für meine Trauer und meine
inneren Schmerzen wurde - und dem entsprechend trug ich meine Kleidung. Dadurch
traf ich erstmals in Kontakt mit Gothics (sie sprachen mich auf der Straße an)
und fand dort bereits nach kurzer Zeit etwas, was mir bisher in dieser Form
fremd war und wonach ich im Grunde immer suchte: Zusammenhalt, Verständnis,
Akzeptanz. Ich fand in dieser Szene etwas, das mir die Welt von einer anderen, einer positiveren Seite zeigte. Und ich merkte, dass schwarz sehr wohl etwas
Positives ausdrücken kann! Im Übrigen war es die schwarze Szene, in der ich nie
Probleme mit meiner Homosexualität hatte. Sie wurde dort von Anfang an einfach
als etwas Normales akzeptiert und
war kein Anstoß für Missachtung und Unverständnis (wie ich es teils anderswo
erlebt habe).
Darüber hinaus fand ich mich oftmals auch in den Texten der Musikrichtungen
Gothic, Darkwave & Dark Elektro wieder (mal davon abgesehen, dass mir die Musik
schlichtweg auch gefiel).
Ein mancher wird sich vielleicht
fragen, wie es mit Dingen wie z. Bsp. dem Tod ist - immerhin ein Thema in der
schwarzen Szene. Doch es kommt immer darauf an, von welcher Seite man etwas
betrachtet.
Erstens: Ich habe mich mit dieser Thematik auseinandergesetzt und sie
ist mir somit nicht mehr so fremd. Dadurch kann ich dem Sterben und Tod, wenn es
irgendwann einmal so weit ist, ein stückweit angstfreier entgegentreten, als
wenn ich diese Thematik verdrängen würde.
Und zweitens: Der Tod bedeutet für
mich nicht "Ende", sondern der Beginn von etwas Neuem. Wie und in welcher Form,
kann ich nicht sagen; denn ich kann logischerweise nicht einschätzen, ob ein
Jenseits, Wiedergeburt oder was auch immer besteht oder möglich ist. Doch an
eines glaube ich: Dass meine Energie nach meinem Sterben in irgend einer
Weise erhalten bleibt. Ob bewusst oder unbewusst oder in welcher Form - auch das
kann ich nicht beantworten. Doch ich glaube, mit meinem Tod wird etwas Neues
entstehen.
Und letztendlich ist der Tod nur EIN Begleitthema von vielen in dieser
Szene.
Anm.: Dass ich persönlich eine gewisse Affektion und Affinität zu
"düsterer Atmosphäre" habe, kann ich allerdings nicht leugnen. Tatsächlich
mochte ich schon als Kindergarten- und Grundschul-Kind Friedhöfe, Grusel-Deko
und verwilderte Ruinen sowie alte Frankenstein- und Vampirfilme; warum auch
immer. Während andere Eltern mit ihrem Kind deshalb womöglich zum Psychologen
gegangen wären, hatte ich das Glück, dass mein Adoptivvater das stets locker sah
und mich (entsprechend meiner Wünsche) sogar mit allerlei Gummi-Skeletten,
Plastik-Totenschädeln, Chemiekästen usw. für mein (sicherlich nicht ganz
alltägliches) Kinderzimmer versorgt hat. Diesen Einrichtungsgeschmack habe ich
übrigens bis heute beibehalten. ;)
Ebenso ist es mit dem Glauben.
Ich persönlich glaube weder an irgendeinen Gott, noch an "den Teufel"
- beide sind für mich schlichtweg nicht existent. In jeder Person ruhen positive & negative Stimmungen,
Charakterzüge und "Energien"; welche
dieser "Energien" stärker zum Vorschein kommt und genutzt wird, liegt meiner
Meinung nach letztendlich zum großen Teil an einem selbst.
Ob jemand nun an eine wie auch immer geartete "höhere Macht" glaubt oder nicht,
muss jeder für sich selbst entscheiden und für sich selbst herausfinden. Ich
habe im Grunde mit keinem Glauben irgendwelche Probleme - solange dieser
nicht auf Zwängen aufgebaut ist sowie nicht die Persönlichkeit & den freien Willen des
Einzelnen untergräbt. Genau dies ist jedoch leider bei vielen Religionen
(besser gesagt in der Form ihrer Umsetzung) der Fall. Und spätestens dort hört
für mich die Toleranz und mein Verständnis auf. Nur ein Beispiel zur
Verdeutlichung: Es gibt derart viele unterschiedliche Völker auf der Erde und
ebenso unzählige verschiedene Religionen, Glaubensrichtungen und religiöse
Abspaltungen. Wie kommen da manche Menschen dazu, sich die dreist und ignorant herauszunehmen, dass gerade ihr Glaube der einzig wahre
sei? Zumal aufgrund von Veränderungen, Anpassungen und Vermischungen in
den letzten Jahrhunderten heute wohl kaum noch irgendeine Religion in ihrer
"Urform" besteht.
Wenn jemand von etwas als "gut und richtig"
überzeugt ist, versucht er in der Regel, auch andere davon zu überzeugen - aber
mit welchem Recht geschieht dies bitte mit Dogmen, Zwang und Drohungen? Dies nur
als Anmerkung an die (in meinen Augen fehlgeleiteten) "Hardcore-Christen", die
mich von Zeit zu Zeit mit ihren "liebevollen" Emails beglücken. Ihr steht damit
christlichen Grundprinzipien
wie "Nächstenliebe" selbst entgegen - und darüber solltet ihr vielleicht
mal ernsthaft nachdenken. Aber das nur als Randbemerkung.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Es liegt keinesfalls in meiner Absicht, hier alle Kirchen, Christen, Religionen oder Gläubigen über einen Kamm zu scheren! Der Glaube gibt schließlich vielen Leuten Kraft, Halt, Trost und Energie - und somit ist der Glaube etwas Wichtiges und Wertvolles (und auch in der "schwarzen Szene" gibt es, entgegen mancher Vorurteile, gläubige Menschen). Aber wie einzelne Personen oder manche Glaubensgruppen ihre Religion für Macht und Propaganda regelrecht missbrauchen, ist mir einfach zuwider.
Aber zurück zum Thema; eigentlich will
ich hier ja darüber schreiben, was das "Schwarzsein" für mich persönlich
bedeutet.
Nun, im Gesamten ist es für mich ein Ausdruck meiner Seele, meiner
Gedanken und Empfindungen. Heute verbinde ich mit schwarz nicht mehr
nur Negatives, im Gegenteil! Schwarz ist ein Teil meines Lebens geworden und ich
lebe gerne. Ich besichtige oft Burgen, treffe mich mit
Freunden und Bekannten, reise, fotografiere viel und schreibe ab und zu Gedichte und
Kurzgeschichten, in welchen ich meine Gedanken und Gefühle ausdrücke.
Ich denke schon, dass ich von Zeit zu Zeit
vielleicht etwas nachdenklicher bin, als manche andere. Aber über etwas nachzudenken
heißt auch, sich damit auseinanderzusetzen, sich mit etwas zu befassen. Und wenn
ich dies z. Bsp. mit meinen Ängsten und Gefühlen tue, hilft es mir schließlich
dabei, mit diesen etwas besser umgehen zu können.
"Schwarz" zu sein bedeutet für mich nicht Resignation, Depression oder negatives Denken. Es bedeutet für mich vielmehr, sich auch an kleinen Schönheiten erfreuen zu können und auch ein Stück Freiheit. Nicht so zu sein, wie jeder andere auch. Ich möchte ICH SELBST sein können. Und schwarz an sich empfinde ich zudem auch schlicht als schön!
Darüber hinaus verbinde ich mit dem "schwarzen Gefühl" auch eine gewisse Romantik - oder zumindest das, was ich persönlich unter anderem als Romantik empfinde: gewisse Stimmungen, verwilderte Burgruinen, das warme Licht flackernder Kerzenflammen, buntes Blattlaub von Wäldern im Herbstnebel, der Duft nach einem Regenschauer und vieles mehr.
Ein Wunsch oder Grundgedanke der
schwarzen Szene war es, nicht in Kälte und Oberflächlichkeit zu versinken. Und
wenn man sich umschaut wird man sehen, dass egoistisches Scheuklappendenken
leider immer öfter zu finden ist. Die Menschen gehen konform mit Normen, ohne
für sich deren Inhalt und Sinn zu hinterfragen. Sie jagen Konsum hinterher und
haben verlernt, auch die kleinen Dinge des Lebens zu sehen und zu schätzen.
Kleine Schönheiten, die alltäglichen Wunder - zum Beispiel die Natur. Viele
Menschen haben verlernt Gefühle zu zeigen oder diese überhaupt offen zuzulassen.
Und das ist für mich mit ein Grundgedanke des "Schwarz-Seins" - eben so nicht zu
sein.
Im Grunde nichts Sensationelles; ich stehe
lediglich zu meinem eigenen Stil, meinen Ansichten und meinen Gefühlen. Und mit diesen möchte
ich auch akzeptiert werden. So wie ich andere Menschen akzeptiere; egal, ob
diese nun bunt oder grau rumlaufen.
Es heißt immer, mein Äußeres sei ein Auflehnen gegen die Gesellschaft. Doch zur Gesellschaft gehöre auch ich! Es ist eher mein Widerstand gegen die Kälte mancher Menschen. Das drückt sich teilweise auch in meinem Make up aus: hell geschminkte Haut mit schwarzen Augen und Lippen, mal bunter Lidschatten, mal Verzierungen und Ornamente. Gebräunte Haut wird oftmals gleichgesetzt mit Erfolg, Leistung und Schönheit. Dagegen wehre ich mich etwas, denn das Aussehen ist nicht nur zweitrangig, sondern sagt auch nicht zwangsläufig etwas über den Charakter eines Menschen aus. Meine hell gepuderte Haut hat aber auch noch einen anderen Grund: Vom 15. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert galt weiße Haut in der oberen Adelsschicht als edel. Und ich empfinde es an mir auch heute noch als edel - ebenso wie zum Beispiel meine Kleidung aus Samt. Darüber hinaus hat blasse Haut auch etwas Vampireskes.
Schwarz zu sein bedeutet für mich, nicht abzustumpfen und die Gefühle, den Glauben und Willen eines Jeden zu respektieren - solange er dies auch bei anderen tut! Ich muss nicht jedes Verhalten und Handeln anderer verstehen und respektieren können - aber ich akzeptiere es, solange ein Mensch andere mit seinem Verhalten und Handeln nicht unterdrückt, ungerechtfertigt einengt oder verletzt.
Auch auf die Frage, welche Reaktionen ich auf mein Styling bekomme und wie
ich damit umgehe, möchte ich noch kurz eingehen.
Offen bekomme ich eigentlich relativ wenig negative Resonanz auf mein Aussehen.
Unter der Woche trage ich zwar gern auch schwarze oder dunkle Kleidung, bin aber weder geschminkt, noch
gestylt. Das kann ich alleine schon wegen der Arbeit nicht machen und hiervon
abgesehen,
wäre es mir für jeden Tag auch definitiv zu aufwendig.
Meist sind die Reaktionen eher neugierig-interessiert und solche sind mir auch
am liebsten, weil man sich dann mit den Leuten unterhalten kann und so zumindest
die Möglichkeit gegeben ist, Vorurteile abzubauen. Natürlich bekomme ich auch mal 'nen
dummen Spruch zu hören (meist leider von Ausländern, was für mich um so
unverständlicher ist, da sie selbst Akzeptanz & Toleranz für sich fordern
und selbst oftmals mit Vorurteilen zu kämpfen haben). Ich versuche aber meist,
solche Sprüche weitestgehend zu ignorieren und Ärger aus dem Weg zu gehen.
Denn ich sehe mein Outfit nicht als Provokation,
sondern lebe damit lediglich meine persönlichen Einstellungen und meinen
Geschmack!
Daher auch eines meiner Lebens-Mottos: Ich bin nicht auf dieser Welt, um so zu sein, wie andere mich gertne hätten.
© Andy Winkler, www.Gruft-der-Vampire.de
Mit Robert Smith / The Cure, 2002
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